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16.08.2012 | Deutschlandradio Kultur
Latein erlebt einen Boom
In Deutschland fehlen Lehrer in diesem Bereich
 

 

Andreas Efing im Gespräch mit Kate Maleike

800.000 Schüler lernen in Deutschland Latein. Doch die entsprechend qualifizierten Lehrer fehlen. An der Schule reiche der Unterricht oft nur bis zum Latinum und entsprechend trauen sich nur wenige das Studium zu, vermutet Andreas Efing, Latein- und Spanischlehrer und Autor des neuen Lehrwerks "Via mea".

Kate Maleike: In einer Welt, die immer hektischer und unübersichtlicher wird, entwickelt sich das Schulfach Latein gerade offenbar zu so einer Art Gegenpol. Diese Beobachtung wurde zumindest am Wochenende formuliert auf einer Neo-Latinistik-Tagung, zu der in Münster 300 Wissenschaftler zusammengekommen waren. Die Nachfrage nach Latein wurde dort mit "unglaublich" bezeichnet, die tote Sprache sei im Aufwind, weil nicht zuletzt Eltern nun entdeckt hätten, dass man sich dabei sehr konzentrieren muss und das Gedächtnis trainiert wird. 800.000 Schülerinnen und Schüler haben das in Deutschland im vergangenen Jahr getan, sicher nicht immer nur mit Freude, doch mit einigem Mehrwert, wie diese Schülerumfrage aus Berlin bestätigt.

((O-Töne))

Das wird Andreas Efing gern gehört haben. Er ist Latein- und Spanischlehrer an einem Gymnasium in Telgte bei Münster. Mit einem neuen Lehrwerk namens "Via mea" möchte er den Lateinunterricht noch zeitgemäßer und interessanter gestalten.

- Guten Tag, Herr Efing!

Andreas Efing: Guten Tag!

Maleike: Latein im Aufwind, Latein als Gegenpol zu einer hektischen und unübersichtlichen Welt - das war ja die Diagnose, die ich gerade aus der Tagung in Münster geschildert hatte. Können Sie das auch bestätigen?

Efing: Ja, das Lateinische zwingt natürlich tatsächlich zu einer konzentrierten und genauen Bearbeitung und Analyse der Texte, also auch ein systematisches Arbeiten wird wirklich eingefordert durch dieses Fach. Und von daher ist das mit Sicherheit eine Chance, so ein bisschen diesem immer schneller werdenden Leben so ein bisschen Einhalt zu gebieten und die Schüler auch dazu zu bringen, nicht nur oberflächlich sich Dinge anzuschauen, sondern tatsächlich auch in die Tiefe in diesem Falle von Texten hineinzugehen.

Maleike: Das heißt aber ja, dass der Lateinunterricht ganz besonders auch gestaltet werden muss. In der Hauptsache sind das ja eben Texte, die ins Deutsche übersetzt werden müssen, analysiert werden, interpretiert. Das hat viele in den letzten Jahrhunderten gelangweilt, das wissen Sie auch. Inzwischen gab es ja unglaublich viele Möglichkeiten, Latein auch populärer zu gestalten. Lehrer sind sogar zu Rappern geworden. Wie wollen Sie jetzt sozusagen den Unterricht attraktiver gestalten?

Efing: Also, es beginnt eigentlich damit - und das war auch der Anstoßpunkt bei der Entwicklung unseres Buches -, dass die Nachfrage nach den Klassikern immer weiter an uns herangetragen wurde. Also, diese typischen Mythen beispielsweise, wenn es um Troja, Odysseus geht - wenn da Schüler mit ihrem Vorwissen wirklich sich einbringen können, dann sind die nicht zu stoppen. Ähnliches gilt gerade für den Anfangsunterricht, auch für Dinge wie Gladiatoren, Zirkus, Wagenrennen und ähnliche Dinge. Also das heißt, schon in der Materie selbst steckt so viel Motivationskraft, dass wir letztlich wirklich da nur uns einschalten müssen und das Ganze nutzen. Das natürlich in einer mittlerweile anderen Didaktik und Methodik, als es vor wirklich ja noch Jahrzehnten dann war. Da sind schon große Veränderungen zu beobachten, ganz klar.

Maleike: Jetzt ist natürlich das Lehrkonzept, das Schulbuch nur das eine, der Lateinunterricht noch sehr viel mehr. Wie muss der aus Ihrer Sicht im Moment zeitgemäß aussehen, damit die Schüler begeistert bleiben und bitte schön auch beim Lernen bleiben?

Efing: Ja, da müsste man zunächst mal einen anderen Aspekt ansprechen: die ganz große Heterogenität innerhalb der Schülerschaft. Mittlerweile sind die Übergangszahlen von der Grundschule zum Gymnasium insbesondere schon so hoch, dass wir in den unterschiedlichsten Lerngruppen wirklich ganz verschiedene Niveaus haben. Je kleiner die Gruppen sind, desto besser ist das natürlich, um individuell auf die Schüler einzugehen. Auf der anderen Seite müsste ein oder muss ein Lehrbuch heutzutage wirklich die Möglichkeit bieten, dass die Schüler sich individuell an für sie angepasste Niveaus mit der Materie beschäftigen können. Und das möglichst eben nicht nur mit einem Lehrbuch, sondern eben auch mit weiterem Material, denn so, dass ein Schüler, der beim Vokabellernen beispielsweise doch auf dem Digitalweg das besser kann, dass der auch ein Angebot für sich hat, um für sich fortschreiten zu können. Das heißt, die Bandbreite innerhalb der Medienpalette muss deutlich größer werden. Und zudem muss auch eine Möglichkeit der Differenzierung eben da sein.

Maleike: Und auch eine Anregung zum Selbstlernen?

Efing: Das ohnehin.

Maleike: Jetzt muss man aber sagen, dass es alles auch ein bisschen davon abhängt, welchen Lehrer man hat. Und Sie wissen nun als Lehrer für Spanisch und Latein, dass gerade diese beiden Fächer auch Mangelfächer sind, das heißt, Deutschland sucht händeringend zum Beispiel auch Lateinlehrer in vielen Bundesländern, in vielen Schulen. Warum ist es offenbar nicht so attraktiv, Lateinlehrer zu werden?

Efing: In der Tat, das ist wirklich ein Problem. Die Frage ist wahrscheinlich insofern zu beantworten, als man erst mal sagen muss, dass das Lateinische eben an den Schulen über eine Zeitlang zurückgedrängt wurde und vielfach ein Lateinkurs nur noch bis zum Latinum weitergeht. Und dann sagt die Schule, das war's, mehr können wir nicht anbieten. Das heißt, ein wirklich höheres Niveau kann ich dann nicht erreichen. Und wahrscheinlich schrecken dann doch einige Schüler oder viele Schülerinnen und Schüler davor zurück, zu sagen: So, jetzt studiere ich das Ganze auch. Ich gehe an die Universität damit, obwohl ich eigentlich, in Anführungsstrichen, "nur" das Latinum erworben habe und noch gar nicht darüber hinausgegangen bin. Und ich glaube, das ist ein ganz, ganz großes Problem, das auch natürlich daher resultiert, dass auch die Anzahl der Stunden immer mehr eingeschränkt wurde. Und da ist das Fach einfach ein anspruchsvolles Fach insofern, als es sehr viel Fleiß und Disziplin erfordert. Es ist nicht ein, ja, wird immer gesagt, ein schweres Fach, sondern ich würde eher sagen, es ist ein ehrliches Fach: Wenn ich viel mache und viel erreichen möchte, dann kann ich das auch. Ich brauche nicht ein Verständnis zu entwickeln im eigentlichen Sinne, wie vielleicht in anderen Fächern, zumindest nicht auf dem Niveau der Schule. Und ich glaube, da sind die Probleme schon in der Wurzel sozusagen. Und dann wird es schwer, sich zu motivieren und zu sagen, so, jetzt gehe ich zur Universität. Und da wird ganz, ganz viel verlangt - schaffe ich überhaupt? Dann lasse ich das doch mal lieber.

Maleike: Was wäre - ganz kurz zum Schluss noch - Ihr Lösungsvorschlag?

Efing: Ja, utopisch wäre natürlich oder sehr schön, ideal wirklich, an den Schulen für die Fremdsprachen an sich ist das natürlich schon wichtig, ein höheres Stundenkontingent zu bekommen, dass auch so ein bisschen heutzutage ... immer der Ruf nach den Naturwissenschaften, der ist natürlich auch verständlich, aber man sollte die Sprachen da nicht vergessen. Die sind für das Miteinander, nicht nur im kleinen Kontext, sondern auch in der globalisierten Welt ja letztlich ganz entscheidend. Und um da das Miteinander wirklich vorbereiten zu können an der Schule, wäre einfach da auch es schön, wenn man vielleicht eine zusätzliche Förderstunde bekäme und dann auch den Mut hätte vielleicht, in der Oberstufe für das Lateinische auch kleinere Kurse anzubieten.

Maleike: Und dann gibt es vielleicht auch wieder mehr Lateinlehrer in Deutschland. Einen jedenfalls hatten wir heute in "Campus und Karriere" schon mal am Telefon, Andreas Efing, er lehrt Latein und Spanisch an einem Gymnasium in Telgte bei Münster. Ganz lieben Dank für das Gespräch! Und er hat ein neues Lehrwerk für Latein herausgegeben: "Via mea" heißt es. Und es ist im Cornelsen Verlag erschienen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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